Nachdem CDU, CSU und SPD die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen haben, wurde am 09.04.2025 der Koalitionsvertrag vorgestellt, der aus vergaberechtlicher bzw. beschaffungsrelevanter Sicht eine erhebliche Anzahl relevanter Passagen in teils unterschiedlicher Detailtiefe enthält. Diese stimmen weitestgehend mit den Berichten der Koalitionsarbeitsgruppen überein.
Unter der Überschrift „Vereinfachung des Vergaberechts und strategisches Beschaffungsmanagement“ (Zeilen 2058 ff.) wollen sich die Koalitionäre dafür einsetzen, das Vergaberecht auf nationaler und europäischer Ebene für Lieferungen und Leistungen aller Art für Bund, Länder und Kommunen zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren. Dabei soll der Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe weiterhin Beachtung finden. Ferner soll das Vergaberecht auf sein Ziel einer wirtschaftlichen und diskriminierungsfreien Beschaffung zurückgeführt werden, aber auch die Funktion als Schutz vor Korruption wird ausdrücklich angesprochen.
Beabsichtigt wird darüber hinaus, sektorale Befreiungsmöglichkeiten vom Vergaberecht insbesondere in Fragen der nationalen Sicherheit und für Leitmärkte für emissionsarme Produkte in der Grundstoffindustrie mit einem Pionierfeld für die Deutsche Bahn zu schaffen. Darüber hinaus streben CDU, CSU und SPD an, die Schwellenwerte für öffentliche Ausschreibungen im nationalen Recht zu vereinheitlichen und sie insbesondere für Direktvergaben und freihändige Vergaben heraufzusetzen.
Für die Bundesebene kündigt die Koalition an, die Wertgrenze für Direktaufträge für Liefer- und Dienstleistungen auf 50.000 Euro zu erhöhen (die Arbeitsgruppenberichte enthielten demgegenüber noch eine Erhöhung auf 100.000 Euro). Zudem ist nun der bereits aus dem Entwurf für ein Vergaberechtsmodernisierungsgesetz bekannte Vorschlag für die Einführung einer Wertgrenze von 100.000 Euro für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung beabsichtigt (Zeilen 2068 f.).
„Auch auf europäischer Ebene wollen sich die Akteure für eine maßvolle Erhöhung der Schwellenwerte und für eine getrennte Betrachtung der Planungsleistungen einsetzen (Zeilen 2071 f.).“
Darüber hinaus ist vorgesehen, das öffentliche Beschaffungswesen systematisch zu optimieren und dazu ein strategisches Beschaffungsmanagement zu implementieren. Behörden sollen künftig auf Rahmenverträge anderer öffentlicher Dienststellen und auf zentrale Einkaufsplattformen zurückgreifen dürfen. Die Bestellplattform des Bundes (Kaufhaus des Bundes) soll zu einem digitalen Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen und Vergabeplattformen konsolidiert werden. Auch der IT-Einkauf des Bundes soll zentral strategisch gesteuert werden, um Abhängigkeiten von monopolistischen Anbietern zu reduzieren und den Digitalstandort Deutschland zu stärken. Bieter sollen ihre Eignung möglichst bürokratiearm, digital und mittelstandsfreundlich nachweisen können, etwa durch geprüfte Systeme oder Eigenerklärungen.
Schließlich soll die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten entfallen, um die Vergabe öffentlicher Aufträge zu beschleunigen (Zeilen 2075 ff.).
Zudem soll ein Bundestariftreuegesetz für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro und für Startups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro auf den Weg gebracht werden (Zeilen 553 ff.). Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen sollen auf ein absolutes Minimum begrenzt werden.
In den Zeilen 329 f. wird sehr allgemein angekündigt, den Mittelstand u. a. durch einfachere Vergabeverfahren zu unterstützen.
Ferner spielt das Vergaberecht im Rahmen des geplanten Infrastruktur-Zukunftsgesetzes eine Rolle (Zeilen 1931 ff.). So sollen – um die dringenden Investitionsbedarfe schnell mit den Mitteln des zeitlich befristeten Sondervermögens Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen zu decken – die Möglichkeiten zur Beschleunigung von Planung und Genehmigung, Beschaffung und Vergabe der Infrastrukturprojekte aus dem Sondervermögen ausgeschöpft und in einem Infrastruktur-Zukunftsgesetz ambitioniert geregelt werden. Die Vorhaben werden mit einem überragenden öffentlichen Interesse ausgestattet und damit rechtlich priorisiert. Dabei sollen insbesondere die Beschleunigungsregelungen des LNG-Beschleunigungsgesetzes als Vorbild dienen und Ausnahmen auf europäischer Ebene im Sinne der EU-Notfallverordnung für beschleunigten Ausbau zur Nutzung Erneuerbarer Energien geschaffen werden.
Darüber hinaus ist vorgesehen, das Vergaberecht auch im Bereich Verteidigung an die derzeitige Lage anzupassen (Zeilen 4203 ff.). Um die dazu erforderlichen jährlichen Investitionen in militärische Infrastruktur deutlich zu steigern, sollen u. a. das Vergaberecht sowie die Beschaffung vereinfacht werden. Für militärische Bauvorhaben soll die Bedarfsdefinition vereinfacht und mit einem Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz Ausnahmeregelungen u. a. im Vergaberecht geschaffen werden. Die Belange und die Infrastrukturmaßnahmen zur Gesamtverteidigung werden als überragendes öffentliches Interesse festgeschrieben und in der Umsetzung gegenüber anderen staatlichen Aufgaben priorisiert.
Auch bei der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung im Bereich Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen findet das Vergaberecht insofern gesondert Erwähnung, als eine grundsätzliche Überarbeitung u. a. des Vergaberechts für notwendig erachtet wird, ohne jedoch konkrete Maßnahmen zu nennen (Zeilen 680 ff.).
Um die Schaffung von Leitmärkte für klimafreundliche beziehungsweise klimaneutrale Produkte als marktgerechtes Instrument, z. B. durch Quoten für die emissionsarme Herstellung von Stahl, eine Grüngasquote oder vergaberechtliche Vorgaben, geht es in den Zeilen 156 ff.
Überdies sind gebündelte Service-Einheiten statt Doppelstrukturen für die Erledigung standardisierbarer Aufgaben, u. a. bei Vergabe und Beschaffungen vorgesehen (Zeilen 1828 ff.).
In den Zeilen 2565 ff. wird angekündigt, Bereichsausnahmen für Forschung zu schaffen und weitere Bereiche, etwa im Vergaberecht, zu identifizieren.
Die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages ist für den 30.04.2025 vorgesehen.